Sonntag, 21. September 2014

Sommer 2011





Fingernägel knabbern. Im großen Stil. Meine Fingernägel sind klein und brüchig. Es reicht ein Pinselstrich und schon sind sie lackiert. Sobald ein Stückchen übersteht, stecke ich mir den Nagel zwischen die Schneidezähne und beiße zu. Es gibt Leute, die schlucken ihre Hornecken runter. Es gibt Leute, die spucken sie auf die Straße. Ich gehöre zu den Letzteren. Verteile meine DNA überall in der Stadt. Bin nicht besser als einer, der regelmäßig die Mädchen am Straßenrand mitnimmt und seine DNA in der Stadt verteilt. Letztlich ist das mehr so eine Ich-war-hier-Methode. Könnte auch Bäume und Sträucher anpissen. Ist immer eine Frage des Wies.


Der Sommer ist vorbei. Das sage ich schon seit Tagen und ich werde dem nicht müde. Ich sage nicht: "Der Herbst fängt an", ne, ich sage: "Der Sommer ist vorbei". Das hat sowas Endgültiges und das gefällt mir. Anders ist das, wenn der Winter zu Ende geht, dann sage ich immer: "Der Frühling fängt an", das macht mir gute Laune und ich erzähle es allen, die mir so über meinen Weg laufen, während ich Fingernägel in die Gegend spucke, dass ich den Frühling riechen kann. Nickende Gesichter, die sich dann schnell von mir abwenden. Wer will schon mit einer gesehen werden, die ständig die Finger im Mund hat wie ein Kleinkind.


Explodiert ist er, der Sommer. Direkt vor meinen Füßen hat er alle Pflanzen austrocknen lassen. Hat mich invalide gemacht. Tagelang habe ich einfach bedeppert im Bett gelegen, keiner hat mich evakuiert, und ich dachte, ich sterbe einen qualvollen Hitzetod. War nicht so. Der Sommer verzog sich so schnell wie er gekommen war, und ich fragte mich, ob es das jetzt gewesen sei. Irgendwie hatte ich mehr erwartet. Hatte auf Sommernächte gehofft, in denen ich mit zwielichtigen Gestalten an Gewässern sitzen würde und wahlweise schwieg oder rumpöbelte. Bis mich einer nimmt und mich ins Wasser schmeißt. Hat keiner gemacht. Ich saß ja auch nicht am Wasser. Hatte andere Dinge zu tun. Mücken in meinem Zimmer jagen. Nasse Handtücher um meinen Kopf wickeln. Überreife Bananen essen. Solche Sachen eben, die man macht, wenn man's nicht mehr aushalten kann. Was eigentlich? Nicht mehr aushalten?
Weiß ich auch nicht so genau.