tag:blogger.com,1999:blog-89219812542744231842024-03-19T05:36:12.189-07:00Alltagsmärchenkaethttp://www.blogger.com/profile/15813238675671072394noreply@blogger.comBlogger55125tag:blogger.com,1999:blog-8921981254274423184.post-35064571156673874632018-12-06T10:20:00.000-08:002018-12-06T10:20:06.409-08:00Fragen III<div style="text-align: center;">
<br /></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjKLYK9mOlv74oEnTyYgzQ-MbHR3yjE90YlFvwaQ8K6ly3BwidvUAbpT-cHZLAhL9xAZZTwbEL9kCVmfE5WpzclDhD3SwYwCrlcYGgrqyOVlRj0845stF9v047FnLjTW8zr61FW4Z6Dh4I/s1600/IMG_9121.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="1067" data-original-width="1600" height="212" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjKLYK9mOlv74oEnTyYgzQ-MbHR3yjE90YlFvwaQ8K6ly3BwidvUAbpT-cHZLAhL9xAZZTwbEL9kCVmfE5WpzclDhD3SwYwCrlcYGgrqyOVlRj0845stF9v047FnLjTW8zr61FW4Z6Dh4I/s320/IMG_9121.JPG" width="320" /></a></div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Was treibt dich an? Was hält dich auf? Bist du noch zu stoppen? Drehst du manchmal durch? Magst du das Gefühl? Oder hast du Angst davor? Suchst du einen Sinn? Hast du ihn bereits gefunden? Und wenn ja, wo? Verrätst du mir den Ort? Oder behälst du ihn lieber für dich? Teilst du gern? Gibt es etwas, das du nicht teilst? Menschen oder Dinge? Was berührt dich? Kennst du das Gefühl im Bauch? Oder sitzt es bei dir im Rücken? Was hat dich zuletzt beeindruckt? Wie siehst du aus, wenn du staunst? Glaubst du an dich? Klopfst du dir manchmal auf die Schulter? Kannst du Komplimente annehmen? Wie reagierst du dann? Bedankst du dich? Und was sagst du? Kann ich dir eine Frage stellen? Wohin führt dein Weg? Schaust du nach vorn? Oder auf den Wegesrand? Blickst du zurück? Was nimmst du mit? Und was lässt du dort? Hast du etwas auf dem Weg verloren? Auf die Suche gehen oder den Verlust akzeptieren? Kannst du damit leben? Und was, wenn nicht? Gibt es Leerstellen? Wie füllst du sie? Und was entsteht daraus? Treibt es dich an? Oder hält es dich auf?</div>
kaethttp://www.blogger.com/profile/15813238675671072394noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8921981254274423184.post-6432591210154293122018-10-22T12:58:00.001-07:002018-10-22T12:58:31.903-07:00Fragen II<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEheqlYSQljJIItpV_IRQbeELT7BQfcUXJ4Y0042UsZzX7fzgD7B-kgjHZQt33bZiuE_TDBtPp72Le2kIJQQ1EAPK01DIaGrr55zPe5HomZLl7pBcHXCgL-4OLS7tN_E6p2aX49SC_WEE_8/s1600/IMG_1601.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="1067" data-original-width="1600" height="266" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEheqlYSQljJIItpV_IRQbeELT7BQfcUXJ4Y0042UsZzX7fzgD7B-kgjHZQt33bZiuE_TDBtPp72Le2kIJQQ1EAPK01DIaGrr55zPe5HomZLl7pBcHXCgL-4OLS7tN_E6p2aX49SC_WEE_8/s400/IMG_1601.JPG" width="400" /></a></div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Kommst oder gehst du vorbei? Morgens oder abends? Weißt du, wo du klingeln musst? Wie viele Stufen sind es? Zählst du sie beim nächsten Mal? Festhalten oder loslassen? Kommt es vor, dass du nicht weißt, wo du bist? Findest du den Norden? Deine Handschuhe im Schrank? Das Haar in der Suppe? Betrachtest du dein Spiegelbild? Wohin schaust du zuerst? Siehst du eine Veränderung? Bist du konsequent? Würdest du es dir wünschen? Wann machst du eine Ausnahme? Wie spät ist es? Und wie lang willst du noch warten? Bist du ungeduldig? Was machst du dann? Drehst du dich im Kreis? Wann wirst du nervös? Summen oder pfeifen? Zählst du die Tage? Woran erinnerst du dich? Worauf freust du dich? Lächelst du? Jetzt?</div>
kaethttp://www.blogger.com/profile/15813238675671072394noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8921981254274423184.post-78812243007864038742018-04-28T12:16:00.002-07:002018-04-28T12:16:31.656-07:00Wir existieren. Wir sind hier. Hast du verstanden?<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjk-8I__flA7AiWy9vaLxvXKWkQqk8yhTXAjsQ60zvZtO6C2kImAxbpKq_GEaepF5Tu6Ga1OGGAHReU73ZyriZTLZ3bkOFAu8UqDgbkLaPQfznRzwFnZm97D4FmZZrYUa2t8dbmb110uu8/s1600/IMG_0837.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="534" data-original-width="800" height="266" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjk-8I__flA7AiWy9vaLxvXKWkQqk8yhTXAjsQ60zvZtO6C2kImAxbpKq_GEaepF5Tu6Ga1OGGAHReU73ZyriZTLZ3bkOFAu8UqDgbkLaPQfznRzwFnZm97D4FmZZrYUa2t8dbmb110uu8/s400/IMG_0837.JPG" width="400" /></a></div>
<div style="text-align: center;">
<br /></div>
<br />
<div style="text-align: justify;">
In diesen Nächten richte ich meine Gebete zum Himmel ohne Gott. Nächte mit fetten Monden, die in meine Träume glotzen, sie bei geschlossenen Augen klarer erscheinen lassen als den Tag. Ich tanze durch's Treppenhaus und es fließen Wörter über meine Lippen, deren Sinn ich nicht erkenne. </div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Dies schreibe ich im Wahn. Willkommen zurück.</div>
kaethttp://www.blogger.com/profile/15813238675671072394noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8921981254274423184.post-91840694487842639132018-01-18T09:43:00.001-08:002018-01-18T09:43:26.297-08:00Fragen<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<br /></div>
<br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiUrTykh_6Fl3OgFLc7d0BUpTCF-XHozRKQekY6LIJCpGJYEUuKB6VJnlPYN3PS1pjHfcV7ZwrM-XSn-6CUBb-65KPN1YRnplz3EmlmbR74TslkMOlV1Ziq5Cc8mfO-NuGcvVTXqJQN_DI/s1600/IMG_0605.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="534" data-original-width="800" height="213" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiUrTykh_6Fl3OgFLc7d0BUpTCF-XHozRKQekY6LIJCpGJYEUuKB6VJnlPYN3PS1pjHfcV7ZwrM-XSn-6CUBb-65KPN1YRnplz3EmlmbR74TslkMOlV1Ziq5Cc8mfO-NuGcvVTXqJQN_DI/s320/IMG_0605.JPG" width="320" /></a></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Kannst du dich entschuldigen? Weißt du wofür? Macht es dir nichts aus? Suchst du manchmal deine Brille? Das Handy? Den Schlüssel? Den Weg? Bist du erleichtert, wenn du ihn findest? Oder wünschst du dir heimlich ihn zu verlieren? Würdest du gern gehen? Und wenn du gehst: Nimmst du dann etwas mit oder bleibt ein Stück von dir im Raum? Erinnerst du dich morgens an deine Träume? Wachst du manchmal auf? Rücken, Bauch, oder Seite? Die Decke mit den Knöpfen nach unten? Ist dir das egal? Ziehst du die Socken aus? Oder lässt du sie lieber an? Weißt du, was deine erste Liebe jetzt macht? Würdest du es gern wissen? Hast du ein schlechtes Gewissen? Kopf oder Zahl? Was steckt in deiner Jackentasche? Wohin mit dem Kleingeld? Hast du eine Spardose? Und was machst du, wenn sie voll ist? Achtest du auf den Preis? Bist du großzügig? Kannst du ein Geheimnis für dich behalten? Und wenn man es dir anvertraut, wo behältst du es dann? Im Bauch? Zwischen den Zehenspitzen? Unter dem Ohrläppchen? Sind deine Ohrläppchen angewachsen? Achtest du darauf bei anderen Menschen? Oder doch eher auf ihre Schuhe? Wie viel Paar besitzt du? Bist du präzise oder musst du schätzen? Hast du den Überblick verloren? Bringst du den Müll runter? Trennst du sorgsam? Auch Erinnerungen? Und wenn es regnet, denkst du dann an mich?</div>
kaethttp://www.blogger.com/profile/15813238675671072394noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8921981254274423184.post-88376705699951489382017-09-21T12:36:00.001-07:002017-09-21T12:36:52.699-07:00September<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjVpoBvFO4P_ZbWsHpdbSrMoiCuG3xKip-ou5Pw9Om6zOM0VsFxQUkT8eGWTtm-7Y9h-ZBRJxxxtoJXFgx2gyEKgXLkZGOx7El8Bv9e-WTAAswVXnpDizJ6YDsKo-imqSWB3SL8IjH2RQQ/s1600/IMG_3168.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="1067" data-original-width="1600" height="266" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjVpoBvFO4P_ZbWsHpdbSrMoiCuG3xKip-ou5Pw9Om6zOM0VsFxQUkT8eGWTtm-7Y9h-ZBRJxxxtoJXFgx2gyEKgXLkZGOx7El8Bv9e-WTAAswVXnpDizJ6YDsKo-imqSWB3SL8IjH2RQQ/s400/IMG_3168.JPG" width="400" /></a></div>
<div style="text-align: center;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Ich dachte, ich hätte mit diesen Nächten abgeschlossen. Mit den Füßen im Sand und dem Meer im Rücken, ohne einen Blick zurück. So war ich gegangen. Alles hinter mir. Und vor mir Dunkelheit und Kälte.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Ich begegne dir immer wieder. Obwohl ich mir so oft wünsche, dass ich es vermeiden könnte. Vor dir fliehen. An einen anderen Ort. Und du lachst gehässig. Ziehst mich zurück auf das Sofa und lässt all die Songs erklingen, die ich mit dir und der Traurigkeit verbinde. Die legt sich zu uns. Und vielleicht küsse ich sie dann.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Ich gewöhne mich an dich. Das dauert ein bisschen. Und irgendwann sehe ich deine hässliche Fratze nicht mehr. Verschwunden im Nebel, der dich umhüllt. Dann schubbse ich dich gleichgültig vom Sofa und tanze zu russischen Popsongs. Ich komme doch klar mit dir. Denke ich.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Du bist ekelhaft. Du dimmst die Lichter, während die arabischen Jungs vor meiner Haustür die übrig gebliebenen Sommerhits durch ihre kratzigen Lautsprecher jagen. Und du säuselst. Vielleicht bist du betrunken, vielleicht ist deine Hand zu warm. Vielleicht hätte ich ahnen müssen, dass du immer noch weißt, wie man mich rumkriegt. Du kennst die Tricks.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Wir ziehen durch die Nacht und ihre Straßen. Ich dachte, ich hätte mit dir abgeschlossen.</div>
kaethttp://www.blogger.com/profile/15813238675671072394noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8921981254274423184.post-36654388874420928722017-08-13T08:44:00.000-07:002017-09-22T03:42:00.948-07:00Die Puppe.<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhaBDA9-sz8T1YtrMLN2odMZ_RYsuvOyTsgybdpE5cgblRG7yEHSbre7tcTdK8kBv1c1qNRDtWRV_ZGyUJjgOGRaHX9K5P2StGDk6u5OocA0eAK_YhqwnFuiVWA7IPkyk4BTfq7Y7Iy3bY/s1600/IMG_4901.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="1067" data-original-width="1600" height="266" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhaBDA9-sz8T1YtrMLN2odMZ_RYsuvOyTsgybdpE5cgblRG7yEHSbre7tcTdK8kBv1c1qNRDtWRV_ZGyUJjgOGRaHX9K5P2StGDk6u5OocA0eAK_YhqwnFuiVWA7IPkyk4BTfq7Y7Iy3bY/s400/IMG_4901.JPG" width="400" /></a></div>
<div style="text-align: center;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Der Mann hatte seine Hand auf das nackte Bein der Schaufensterpuppe gelegt. Die Puppe saß auf einem Stuhl und trug ein rotes Kleid mit weißen Punkten. Auf dem Kopf hatte sie eine blonde Perücke und sollte wohl Marilyn Monroe darstellen. Die Inszenierung inmitten des seelenlosen Konsumtempels war schlecht. Doch der Mann scherte sich nicht um das Ambiente. Nein, er hat seine Finger oberhalb der Plastikkniescheibe platziert und generierte einen bizarren Moment der Intimität.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Er stand dort mit seinem karierten Hemd und der einfallslosen Hose, die andere Hand in die Hüfte gestützt. Denn vor ihm stand seine eigentliche Frau. Hielt das Display der Handykamera sehr nah an ihr eigenes Gesicht, so dass es aussah als würde sie vor dem Moment zurück weichen. Unentwegt betätigte sie den Auslöser. Und ihr Mann lächelte das Lächeln eines Gewinners. Ich konnte ihn mir mit einem prächtigen Fang in der Anglerzeitung vorstellen, oder mit einem übergroßen Scheck vor der Brust, das richtige Lösungswort des Preisausschreibens der Lokalzeitung. Hundert Euro und ein Foto für's Käseblatt.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Doch tatsächlich berührte er nur das Puppenbein. Grinste immer noch und ließ sich dann zu einer Bewegung hinreißen, die merkwürdig obszön war. Die Hand, die auf dem Oberschenkel geruht hatte, fuhr nun langsam das Bein hinauf. Als er bereits ihren Rocksaum berühte hatte, und die Hand nun darunter verschwand, da zischte seine Frau: "Es reicht!". Rasch ging er mit ihr weiter.</div>
<div style="text-align: justify;">
Die Puppe blieb starr zurück. Ihr Oberschenkel entblößt.</div>
kaethttp://www.blogger.com/profile/15813238675671072394noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8921981254274423184.post-65660953541302529892017-06-25T00:46:00.001-07:002017-06-25T00:46:04.720-07:0020.06.17<div style="text-align: center;">
<br /></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgqfhKMdWSav331bgt0zY62KBcUf-w0VO00bnAJP2KXtJ6qRCdIEvDgP65lbsKMg0fe570dwAIK-Rgsz3hxPBqRSKTPz-KxAJe2D8FavG1PllnQzOczNOiER6wwqs0r8a1YmuXDbq5IAi4/s1600/IMG_5749.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="1067" data-original-width="1600" height="213" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgqfhKMdWSav331bgt0zY62KBcUf-w0VO00bnAJP2KXtJ6qRCdIEvDgP65lbsKMg0fe570dwAIK-Rgsz3hxPBqRSKTPz-KxAJe2D8FavG1PllnQzOczNOiER6wwqs0r8a1YmuXDbq5IAi4/s320/IMG_5749.JPG" width="320" /></a></div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Zugegeben, ich habe in meinem Leben wenige Erfahrungen mit Maikäfern gemacht. Um ehrlich zu sein: Ich habe öfter das Lied vom Maikäfer und seinen leidgeplagten Eltern gesungen, als dass ich jemals welche in Natura sah. Wahrscheinlich waren sie tatsächlich alle in Pommerland gestorben. Nur einmal, es war eine Nacht in der Auguststraße, da vermutete ich eine Motte hinter meinen grünen Vorhängen. Doch das Brummen wollte nicht enden und als ich früh am Morgen die Vorhänge zur Seite schob, saß da unerwartet ein stattlicher Maikäfer an meiner Fensterscheibe. Seitdem ist mir nie wieder einer begegnet. Und hätte jemand in der Zeitung geschrieben, die Maikäfer wären alle ausgestorben - ich hätte es geglaubt.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br />Doch dann kam der gestrige Tag. Und mit ihm der Abend. Über dem Feld ein roter Ball, der sich dem Horizont näherte und schließlich verglühte. Wir saßen auf der Wiese mit vielen anderen und beobachteten das Spektakel. Der Himmel flimmerte, die Luft surrte. Als der erste Käfer brummend neben meinem Ohr summte, lachte ich noch und dachte eine Handbewegung könnte ihn verscheuchen. Der zweite Käfer verfing sich in meinem Haar, der dritte flog direkt in mein Gesicht, der vierte kam in einem Sturzflug auf mich zu. Es wurden immer mehr. Dann wagte ich einen Blick zum Himmel und sah hunderte, ja, vielleicht tausende von dicken schwarzen Punkte im pastellfarbenen Gebilde über mir.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br />Und hätte ich mich an jenem Abend nicht so lebendig gefühlt, ich hätte darum gebeten, dass mich jemand kneift und ich aus diesem Traum aufwache. Die Käfer tanzten nicht in der Luft. Nein, sie zogen höchst chaotische Bahnen durch die beginnende Sommernacht. Als wären sie alle dem Absturz geweiht. Und so kam es, dass wir aufstanden, uns von der torkelnden Meute entfernten, in der Hoffnung, abseits des Grüns Ruhe zu finden. Aber wir hatten uns getäuscht: Die Käfer lagen auf dem heißen Asphalt und zappelten mit ihren kleinen Beinchen. Von den Bäumen fielen sie hinab, wie dicke Regentropfen eines Wolkenbruchs.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br />Morgen ist die längster Tag des Jahres. Und die Maikäfer werden ihn nicht mehr erleben.</div>
kaethttp://www.blogger.com/profile/15813238675671072394noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8921981254274423184.post-54486349480420838462017-05-14T04:38:00.003-07:002017-05-14T04:39:10.842-07:00Piano<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg3mTrAUntY0Kr6dCuuewAoQjPgvYbSIdZw-vp0yhEZxFM589Uo_0gpv3WJPOnrdxfai-hLInL97EVPXN4xiQPUQtrLOkDj1gF31aNjO2i8kJoctd_waDFRIC8LTOAQ0MTlfpYSmZG1A_w/s1600/IMG_9884.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="266" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg3mTrAUntY0Kr6dCuuewAoQjPgvYbSIdZw-vp0yhEZxFM589Uo_0gpv3WJPOnrdxfai-hLInL97EVPXN4xiQPUQtrLOkDj1gF31aNjO2i8kJoctd_waDFRIC8LTOAQ0MTlfpYSmZG1A_w/s400/IMG_9884.JPG" width="400" /></a></div>
<div style="text-align: center;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Du hast vor mehr als zwei Jahren einen Nachruf für mich geschrieben. Und jeder, der ihn sucht, wird ihn finden können. </div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Es gibt Tage, die verbringe ich mit dir. Ich sehe dich. Ich höre dich. Ohne, dass du da bist. Ich weiß, dass du den roten Nagellack auf meinen Zehenspitzen schätzen würdest. Ja, vielleicht sogar begehrenswert findest. Und ich verrate es dir gern: Heute ist der erste Tag, an dem ich keine Socken trage. Ich laufe mit dieser Schuhgröße 36 barfuß über die Dielen meiner Wohnung. Und keiner hört meine Schritte.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Ich weiß nicht, ob es Zufall ist. Aber letzte Woche habe ich altes Schuhwerk in einen blauen Müllbeutel gesteckt. In einer Zeitschrift habe ich gelesen, dass man sich trennen soll. Sich für die Erinnerungen bedanken. Ich habe mich bedankt. Für alles, was dreckig geworden ist. Kaputt. Unbequem. Austauschbar.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Meine Mutter sagt mir am Telefon, dass sie stolz auf mich ist. In mein Heft schreibe ich: "Das Einzige, was von Wert ist, sind die Geschichten, die ich nicht erzählt habe". Ich war immer die, die dreimal lächelt. Und das vierte Mal zu viel. Ich trage aserbaidschanisches Parfum und Strickjacken, die aussehen wie Gardinen. Ich laufe barfuß durch meine Wohnung.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Mein Name ist Emily Horrowitz.</div>
kaethttp://www.blogger.com/profile/15813238675671072394noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8921981254274423184.post-12046569818532407862017-03-20T15:23:00.002-07:002017-03-24T03:51:14.453-07:00Stromausfall 2013<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhWJ8bcaqp13arfu8fredGSjL_-QVJJzFXKIPA8dX2u7QUsFJ7W-vh9KklK1It93eTCD2e_H5ENJAy8HjdCvULwh4EDIk1ds9RuVopiEbIyLYDl4IoTXFETd09Af9sUg26xkH4wRp2Wers/s1600/IMG_1523.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhWJ8bcaqp13arfu8fredGSjL_-QVJJzFXKIPA8dX2u7QUsFJ7W-vh9KklK1It93eTCD2e_H5ENJAy8HjdCvULwh4EDIk1ds9RuVopiEbIyLYDl4IoTXFETd09Af9sUg26xkH4wRp2Wers/s320/IMG_1523.JPG" width="213" /></a></div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
2013 war das Jahr, in dem Jorge Mario Bergoglio Papst Franziskus wurde, das Jahr in dem Angela Merkel wiedergewählt wurde, das Jahr in dem die Praxisgebühr aufgehoben wurde und die neuen 5-Euro-Scheine eingeführt wurden. 2013, das waren 366 tote Bootsflüchtlinge vor Lampedusa an einem Tag, das waren die ersten politischen Demonstrationen in der Ukraine, der Beginn der Proteste gegen die Regierung Erdogan in der Türkei.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br />
2013 war das Jahr, in dem ich von einem Fahrradfahrer über den Haufen gefahren wurde und der Unfallflucht bezichtigt wurde. Es war das Jahr, in dem ich durch die Straßen von St. Petersburg, Paris, Warschau und Bupdapest lief. Es war das Jahr von Magenschmerzen und Schmetterlingen in meinem Bauch.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br />
2013 war das Jahr, in dem abends immer öfter der Strom in deiner Stadt ausfiel. Du warst 16 und der Krieg mittlerweile seit mehr als zwei Jahren in deinem Land. Du warst auf der Straße, mit deinen Großeltern, deinen Cousins. Es war unglaublich dunkel, so dunkel, dass du nicht einmal die eigene Hand sehen konntest. Als dein kleiner Cousin um eine Hausecke lief, gingst du rasch hinterher. Im schwachen Licht der Feuerzeuge knieten Männer um eine Leiche, die auf der Straße lag. Dein Cousin war weiter gelaufen und stand abseits in einem Hauseingang. Dann plötzlich, Schüsse. War das eine Warnung? Die nachfolgende Stille bedrohlich. Der Schein der gelben Flammen verschwand mit einer Fingerbewegung. "Wir erkannten die Soldaten nur am Glühen ihrer Zigarettenspitzen. Wir haben den Atem angehalten, als sie vorbei liefen. Sie konnten uns nicht sehen und doch schossen sie in unsere Richtung." Du bist zu deinem Cousin gerannt, hast ihn unter deinen Arm gepackt und bist den laufenden Anderen gefolgt. Nur weiter in die schützende Dunkelheit hinein, während hinter euch die Schüsse halten.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br />
"Ein Mann lief neben mir", sagst du an meinem Küchentisch. Es ist 2017. "Er trägt die Narben dieser Kugeln in seiner Haut". Vier Jahre sind vergangen. Der Strom fällt immer noch aus. Abends in Damaskus.</div>
kaethttp://www.blogger.com/profile/15813238675671072394noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8921981254274423184.post-66736076508686996282016-11-20T06:47:00.001-08:002016-11-20T06:47:41.803-08:00Das Wort zum Sonntag<div style="text-align: center;">
<br /></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgEX_T4deoqvmdkI9N7ZZ3Yyn_ujRO-NVVhlrsgebrBshyGL0FbdGAshQ278W2ptc3CPyUPCsPIOCpZaK-ILZyCRRWPOhIu5VIjM4UwgVuy60QOscYGEoqmYvfQdmuzg0j8X7uNdOfzw5g/s1600/herbst3.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgEX_T4deoqvmdkI9N7ZZ3Yyn_ujRO-NVVhlrsgebrBshyGL0FbdGAshQ278W2ptc3CPyUPCsPIOCpZaK-ILZyCRRWPOhIu5VIjM4UwgVuy60QOscYGEoqmYvfQdmuzg0j8X7uNdOfzw5g/s320/herbst3.jpg" width="310" /></a></div>
<br />
<div style="text-align: justify;">
Sonntags gehe ich gern in den Park. Heute war es stürmisch, die letzten Blätter in den Bäumen rauschten, und ich fragte mich kurz, wie sich eigentlich Sturm ohne Blätter anhört. Die Wege waren mit zahlreichen Pfützen verziert, hin und wieder musste ich springen oder balancieren. Und an einigen Stellen lagen so viele Nadeln herum, dass es gar wie ein weiches Bett aussah.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Nach nur wenigen Schritten ergreift mich meist eine angenehme Ruhe. Da gibt es mich und meine Schritte, unkonkrete Gedanken und viel Zerstreuung. Heute war es anders, denn ich hörte Schreie. Laute, aufgebrachte Schreie. Ich wusste sofort, dass sie von den Gänsen kamen, die sonst wie eine Königsfamilie einen Abschnitt des Parks regierten. An ihrem angestammten Platz: Nur einige unbeteiligte Möwen. Die Schreie kamen vom anderen Ufer. Ich folgte ihnen, denn wer weiß, ob da ein gefährlicher Greifvogel saß, den sie vertreiben wollten, oder sich gar jemand eine Weihnachtsgans besorgen wollte.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Als erstes sah ich eine Frau im bürgerlich beige-weißen Wollmantel, die in einer eher verkrampften Haltung Fotos mit ihrem Handy machte. Dann zeigte sich die rote Mütze eines Kleinkindes, das gebannt in eine Richtung starrte. Ich erblickte die Mutter des Kindes, die, gehockt und ähnlich verkrampft, versuchte ein Foto von ihrem Nachwuchs zu machen.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Schließlich entdeckte ich das eigentliche Ereignis, um das so viel Geschrei gemacht wurde: Es gab Futter. Der Parkwächter verstreute kleine Körner, links die Enten, rechts die Gänse. Manchmal sprach er die Tiere mit Namen an. Eine Graugans schien ihn besonders zu beschäftigen: Lisa. "Lisa", sagte er und deutete immer wieder auf das Futter, "hier!". Später fütterte er sie aus der Hand.</div>
<div style="text-align: justify;">
Ein anderer Ganter machte wiederholt lautstark auf sich aufmerksam. "Paul", beschwichtigte ihn der Parkwächter, "ist ja gut!"</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Das Geschrei hatte aufgehört, ich stand neben der Mutter mit ihrem Kind, der Frau mit der Kamera und einem Herren mit dunkler Jacke und rotem Schal. Wir waren das Publikum. Keiner klatschte. "Fertig", sagte der Parkwächter und ich wusste nicht recht, ob zu sich, den Gänsen oder uns. Aus einem Beutel nahm er einen Schwamm und rieb daran seine Hände ab.</div>
<div style="text-align: justify;">
Dann blickte er zu uns, die wir immer noch dort standen. "Das mache ich, weil das Futter so weiß ist", erklärte er. "Wenn ich das an der Hose abwische", und er deutete eine Geste an, "dann ist sie sofort dreckig". Er machte eine Pause. Und weil wir immer noch nicht gegangen waren, sagte er schließlich: "Das hat alles schon so seinen Sinn".</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<br />kaethttp://www.blogger.com/profile/15813238675671072394noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8921981254274423184.post-52757856889791865122016-08-26T08:42:00.003-07:002016-08-26T08:42:33.166-07:00Eine letzte Woche Sommer<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgBQ5XdkdlZYOZGLZxB_TrUkYZ5Ys3kaDWiYSwnH4HnuxA3dZuAU5zPnyL1Mj2Y_Xj3f9gD47V-D3jBROrQ12iz96ooR4Vcu9Tc_3CyeiTEcP2PW1ZVreObyyQmsxmYb2ctjlNXnajJDcw/s1600/1044.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="213" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgBQ5XdkdlZYOZGLZxB_TrUkYZ5Ys3kaDWiYSwnH4HnuxA3dZuAU5zPnyL1Mj2Y_Xj3f9gD47V-D3jBROrQ12iz96ooR4Vcu9Tc_3CyeiTEcP2PW1ZVreObyyQmsxmYb2ctjlNXnajJDcw/s320/1044.JPG" width="320" /></a></div>
<br />
<div style="text-align: justify;">
Der Sommer kam mit Schwerelosigkeit zurück in meine Stadt. Auf meinem Balkon reckten die Blumen ihre kleinen bunten Köpfe in den Himmel. Unwissend, dass es das letzte Mal sein würde. Ich traute mich nicht, ihnen davon zu erzählen. Und so begrüßten sie mich morgens ahnunglos mit immer neuen Blüten. Ich schenkte ihnen Wasser und sprach kein Wort, als ich es ihnen mit meiner pinken Gießkanne beinahe andächtig über die Häupter goss. Sie würden die Wahrheit nicht verkraften.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
"Die Straße rauscht wie ein Meer", klang es in meinen Ohren, während zu meinen Füßen tatsächlich eine Horde Blech die Zeit jagte. Ich schaute von meinem Balkon aus über die Stadt, wie ein Leuchtturmwärter über die See. Wissend, dass auf Ebbe Flut folgen würde. Wissend, dass ein milchiger Horizont Unwetter ankündigte.</div>
<div style="text-align: justify;">
Ich holte meine ungebügelten Kleider aus der Schublade, die ich in diesem Sommer hatte tragen wollen. Es war nicht dazu gekommen. Nun zog ich jeden Tag ein anderes an. Auch, um ihm zu imponieren, diesem Sommer, der er nie gewesen ist.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Die Zeit war knapp, das wusste ich. Der Sommer auch. Und doch alberte er herum, wie ein in die Jahre gekommener Schauspieler, ließ Glitzer vom Himmel regnen, spendierte mir Eis und wiegte mich in warmer Geborgenheit. Er zog alle Register, wir lachten zusammen über grauhaarige Frauen mit Lavendel im Haar, wir lagen auf Wiesen herum und genossen unser kurzes Glück. Sobald die Sonne untergangen war, küsste er meine Sonnenmilchhaut.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Ich traute mich nicht zu fragen, wann er gehen würde. Wann unsere Zeit ablaufen würde. Wann ich wieder allein und frierend auf meinem Balkon stehen würde. </div>
<div style="text-align: justify;">
Wenn ich mich abends schlafen legte, flüsterte ich leise "Bleib bei mir" in sein gebräuntes Gesicht. Er lächelte im Halbschlaf und antwortete nicht. Eines Tages würde ich ohne ihn aufwachen. Eines Tages würde ich morgens meine Blumen begrüßen und feststellen, dass ihre Farben verschwunden waren. Die Köpfe zum Boden geneigt. Die Zeit der Schwerelosigkeit war zu Ende.</div>
kaethttp://www.blogger.com/profile/15813238675671072394noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8921981254274423184.post-87381896323378603042016-07-09T14:13:00.000-07:002016-07-09T14:13:01.068-07:00Die Elster
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhSyWM5ehuTh_kEjsAwdoKj5z03ZLFIQZXwP1-xQufI_cX9xTfo4NUA9LPs2rJuISQudrPiTvQm9U45G84QL1jN9JMM_kLfUSqFuO5Zlc3tSZfzDqK02S8cAmKBnjT-aODnmQuFlKAL2V4/s1600/IMG_3167.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="240" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhSyWM5ehuTh_kEjsAwdoKj5z03ZLFIQZXwP1-xQufI_cX9xTfo4NUA9LPs2rJuISQudrPiTvQm9U45G84QL1jN9JMM_kLfUSqFuO5Zlc3tSZfzDqK02S8cAmKBnjT-aODnmQuFlKAL2V4/s320/IMG_3167.JPG" width="320" /></a></div>
<div style="margin-bottom: 0cm; text-align: center;">
<br /></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
</div>
<div style="margin-bottom: 0cm; text-align: center;">
<br /></div>
<div style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">
Das Kniffeligste an einem Wiedersehen
ist doch der Moment, auf den wir nicht vorbereitet sind. Du weißt,
dass diese Stadt mir gehört. Ich habe hier Heimvorteil. Und doch
tauchst du gerade dann auf, wenn ich nicht vorbereitet bin. Wie
auch. Ich habe dich hier nicht erwartet. Und du hast vielleicht doch
einen kleinen Augenblick darüber nachgedacht, was passieren könnte,
wenn du mir hier begegnest. Ich war ahnungslos. Du nicht.</div>
<div style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">
In einer Ecke in meinem Zimmer, da
steht ein Karton. Darin verwahre ich Erinnerungen. Als wir uns das
letzte Mal sahen, hast du mir einen Briefumschlag zugesteckt. Ich
habe die Zeilen erst später gelesen, die Hehlerware erst später
entdeckt. Sie befinden sich im Karton. Und du befindest dich in
meiner Stadt.</div>
<div style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">
Es regnet seit Stunden, ich sitze unter
der Markise, esse Eis und tue so als wäre es Sommer. Kaum Leute
unterwegs. Wieso auch. Und dann du. Keine Kapuze, kein Regenschirm,
blaue Steppjacke und einen Freund an deiner Seite. Duo infernale. Du
drehst dich um. Siehst mich an. Wir grüßen uns in deinem
Vorbeigehen mit einem Handzeichen. Und ich weiß nicht, ob du zu cool
oder zu schüchtern bist, um stehen zu bleiben. Um irgendwas zu
sagen. Während dein Kumpel erst dich, dann mich mustert. Fragend zu
dir schaut. Und du in deiner Unsicherheit einfach weiter gehst.</div>
<div style="margin-bottom: 0cm; text-align: justify;">
Es gab eine Zeit, in der ich dir Sterne
ins Gesicht gemalt habe und dir Tee ans Bett gebracht habe. Wir
wissen beide, diese Zeit ist vorbei. Du kannst gehen, wohin du
möchtest. Ich weiß. Und doch: Diese Stadt gehört mir.</div>
kaethttp://www.blogger.com/profile/15813238675671072394noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8921981254274423184.post-34543347053341935402016-05-02T07:57:00.000-07:002016-05-02T07:57:08.314-07:00Venedig<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjFsn4tONB7sP3zu4F-LPdsOWqs03Q9C7gkFn6VAJT2vk36qcSwaJPwfc8yedUdXfZtfxaI0G0oLTHsbjS8INGuZYmvcYl1FPcVNRFLJWsvjjgdTPhxft6WfSH_OK_0kH838u_cMCgXUZY/s1600/IMG_4880.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><br /></a></div>
<br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjljkeoJGwOf3Rt2ChHgvbZ0jmPNw-ygJvpXdSlM9RGZ7lnegB3Vn26heYWt6olcH3a95d3Ry83tYXH5WrAJwcQVpWtENHtTSD_wnWOvnu9HrEphayIVS3uxURMieYaBsWmdVnIjvUj9zI/s1600/IMG_5164.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjljkeoJGwOf3Rt2ChHgvbZ0jmPNw-ygJvpXdSlM9RGZ7lnegB3Vn26heYWt6olcH3a95d3Ry83tYXH5WrAJwcQVpWtENHtTSD_wnWOvnu9HrEphayIVS3uxURMieYaBsWmdVnIjvUj9zI/s320/IMG_5164.JPG" width="213" /></a></div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Heute war ich im Park. Ich hatte auf einer Bank gesessen und ein Buch gelesen. Die Sonne war plötzlich kräftig und ich hatte die Hoffnung, dass der Mai nun endgültig kapiert hatte, was Frühling bedeuten würde. Also zog ich meine Socken aus und steckte später meine nackten Füße socklos in die Schuhe. Ich lief die verschnörkelten Wege durch's Grün, dachte über meine Barfüßigkeit nach und landete schließlich im vergangenen Jahr und in Venedig.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Venedig war die Zeit der nackten Füße. Als ich ankam, war es warm. Mein Koffer ratterte durch die kleinen Gassen und gab erst Ruhe, als ich das Haus gefunden hatte, in dem ich für die nächsten Tage schlafen würde. Es lag mitten in der Altstadt, versteckt hinter unzähligen Ecken und Biegungen. Schließlich stand ich vor der hölzernen Tür, drückte dagegen und vor mir lag eine dunkle schmale Treppe. Ich schleppte mich und den Koffer hinauf, oben auf der Schwelle stand meine Gastgeberin und begrüßte mich. Ich hatte sie über Airbnb kennen gelernt, durfte auf ihrem ausgebauten Dachboden schlafen und sie bekam einen 50er pro Nacht dafür. Ein Schnäppchen für Venedig in der Hochsaison. "I like your shoes", sagte sie als erstes. Ich kletterte eine noch schmalere Treppe hinauf und stand schließlich in meinem Zimmer. Dann zog ich meine Socken aus und würde sie fortan nicht mehr anziehen.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Während ich durch den Park lief, versuchte ich anstrengt mich an den Namen der Frau zu erinnern, bei der ich geschlafen hatte. Sie war vielleicht zehn Jahre älter als ich, sprach ein raues und kantiges Englisch, hatte schwarze schulterlange Haare und braune Beine. In ihre Wohnküche drang nur wenig Licht durch die geschlossenen Vorhänge, sie war entweder nicht zu Hause oder saß vor ihrem Laptop, mit angezogenen Beinen, einer Zigarette zwischen den Fingern, spanische Gitarrenmusik knisterte aus den Lautsprechern und sie schien weit weg. Wir redeten kaum. Vielleicht fiel es mir auch deshalb schwer, mich an ihren Namen zu erinnern. Im Kopf nannte ich sie "Flora", später fiel es mir dann ein: "Jo". Kein Name hätte besser zu ihr gepasst.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Eines Tages begegnete ich Antonio. Er stand im Hausflur und begrüßte mich als Jos Boyfriend. Er sprach kein Englisch und ich kein Italienisch, von seinen Lippen bröckelten einige deutsche Wendungen, ich fragte, wo er Deutsch gelernt habe, er verstand mich zunächst nicht und sagte dann: "Ich bin Boxer, ich habe ein bisschen in Deutschland geboxt". Antonio war klein, kleiner als Jo vermute ich. Er hatte eine Glatze und Tattoos auf den Oberarmen.</div>
<div style="text-align: justify;">
Am Abend kam ich nach Hause, ich hatte Cola Light und Fertigsalat auf den Treppen des Supermarktes gegessen, weil die Pizza hier schlecht und überteuert war, Jo und Antonio saßen am Esstisch. Es roch nach Gras, auf dem Tisch stand eine Flasche Wein, eine Kerze brannte, die beiden schienen losgelöster als sonst. Ich grüßte kurz, wollte schon schnell nach oben verschwinden, um sie nicht weiter zu stören, da fragten sie mich erst, ob mich der Geruch stören würde und als ich verneinte, boten sie mir die Glut zwischen ihren Fingern an. Ich schüttelte den Kopf, bedankte mich und kletterte auf meinen Dachboden.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Ich öffnete die Fenster, die angestaute Wärme des Tages verschwand in der italienischen Nacht, von draußen hörte ich Stimmen und Musik, von drinnen hörte ich Jo und Antonio kichern. Später dann nicht mehr. Ich legte mich ins Bett, meine vom Tag beanspruchten Füße lugten unter der Decke hervor und der venezianische Wind kühlte meine Zehen. Dann schlief ich ein. </div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
kaethttp://www.blogger.com/profile/15813238675671072394noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8921981254274423184.post-715515624118348292016-03-25T13:55:00.001-07:002016-03-25T13:55:15.693-07:00Freitag: Häschen in der Grube saß und kackt.<div style="text-align: center;">
<br /></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj8QU5r55x9iVGw29laVk58u8cpHZJpbAxkXe9WXpSjMBuSzSPqpay4iZwnfzoAVLo_rLlJWul4dwjjS37cdCrkA5aBI-JoUe-d_XLQ95_stOOg9MmUif2Joz3Dt4OSe19YOqNupAFig_s/s1600/Scan00600002.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj8QU5r55x9iVGw29laVk58u8cpHZJpbAxkXe9WXpSjMBuSzSPqpay4iZwnfzoAVLo_rLlJWul4dwjjS37cdCrkA5aBI-JoUe-d_XLQ95_stOOg9MmUif2Joz3Dt4OSe19YOqNupAFig_s/s320/Scan00600002.jpg" width="265" /></a></div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Im Traum in der Auguststraße spazieren, mit Sonnenschein, blühenden Krokussen und grünen Bäumen. Und dann aufwachen, in einer grau-nass-kalten Welt. Glück ist Toastbrot mit selbst gemachter Sauerkirschmarmelade zum Frühstück. Und der alte Bademantel. Mit den Nachbarskindern spielen. Mit dem Osterhasen telefonieren. Und dann mit allen zusammen singen: "Häschen in der Grube saß und schlief" und die Kinder singen gleichzeitig: "Häschen in der Grube saß und kackt". Lachen müssen, den Kindern über die Köpfe streicheln und ihre leuchtenden Augen lieben. Vom Beifahrersitz aus die vorbei ziehende Landschaft beobachten. Drei Stunden lang essen: Kroketten, Salat, Gemüse und Käsekuchen. Die Oma umarmen. Und wieder auf dem Beifahrersitz zurück fahren. Dabei immer wieder kleine Containersiedlungen sehen. Durch das Grau spazieren, über die Nachbarn reden, Veränderungen bemerken. Karten spielen und gewinnen. Der Freitag als gefühlter Sonntag.</div>
kaethttp://www.blogger.com/profile/15813238675671072394noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8921981254274423184.post-39167382404519962392016-03-24T14:20:00.002-07:002016-03-24T14:20:30.926-07:00Donnerstag: Mehr Tote als Lebendige.<div style="text-align: center;">
<br /></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjNgAkwSNttVPsYwmsXX7cYUmcyTmK3VZo-k6Ntj9Jk_4JdVs2BAqBs5PwnVp8m6XdmF8Kcocek381CulH4us7HPW-l1i-VFdSS2JzH4BhbuPkGvE5mQ8liP-fS1pFSUxgotxyuqo7EqB0/s1600/Scan00580003.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjNgAkwSNttVPsYwmsXX7cYUmcyTmK3VZo-k6Ntj9Jk_4JdVs2BAqBs5PwnVp8m6XdmF8Kcocek381CulH4us7HPW-l1i-VFdSS2JzH4BhbuPkGvE5mQ8liP-fS1pFSUxgotxyuqo7EqB0/s320/Scan00580003.jpg" width="264" /></a></div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Einmal quer durch Rastede laufen, vom Bahnhof zum Park, über den Turnierplatz zum Freibad. Auf dem Friedhof Menschen sehen, ansonsten kaum jemandem begegnen. Kurz begreifen, dass es hier wohl mehr Tote als Lebendige gibt. Auf dem Rückweg dann feststellen, dass es nicht mal einen Fahrkartenautomaten am Bahnhof gibt. Dafür einen 12-jährigen mit Bauchtasche und Jogginghose, der sich eine Zigarette dreht. Und niemanden, der sich dafür interessiert. Immer nur partiell zu Hause sein, Sachen in den kleinen kaputten Rollkoffer packen und dann wieder mit dem Zug fahren. Vom Schaffner, der einen schönen Akzent und einen noch schöneren Duft hat, für die Fahrkartengutscheinkombination gelobt werden. Ansonsten feststellen, dass in der ersten Klasse nur Schnösel sitzen. Am Bahnhof in Hamburg-Harburg stehen und die Menschen beobachten. Frau und Mann. Sie trägt eine Tasche mit Katzenzeichnungen, er hat einen BVB-Schal um den Hals gewickelt, auf dem Kopf eine weiße Schirmmütze. Sie könnte seine Ehefrau oder auch seine Mutter sein. Beide haben dengleichen erschrocken-traurigen Blick in den Augen. In Buxtehude aussteigen, nochmal Joghurt für die Feiertage auswählen dürfen, immer wieder Kind sein gratis dazu. Brause trinken, Chips essen. Und die Mutter sagt: "Ich habe noch Smarties-Eis für dich gekauft".</div>
kaethttp://www.blogger.com/profile/15813238675671072394noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8921981254274423184.post-62181898377832914992016-03-23T12:14:00.002-07:002016-03-23T12:14:20.362-07:00Mittwoch: Die Landschaft mit den Augen atmen.<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhjB0WF_0Es78r7S5qIeepDwcLdrigHFYuRrQU37eEN40-ylxG5FTiXqogS2EcP96kgWuLXcbJYDl157IzjIt4dg-yRCsbIPaTVnXQm-XHNvLeG84aoaD2D1wkwQifrov80q48S1PVxCUY/s1600/Scan00510002.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhjB0WF_0Es78r7S5qIeepDwcLdrigHFYuRrQU37eEN40-ylxG5FTiXqogS2EcP96kgWuLXcbJYDl157IzjIt4dg-yRCsbIPaTVnXQm-XHNvLeG84aoaD2D1wkwQifrov80q48S1PVxCUY/s320/Scan00510002.jpg" width="263" /></a></div>
<div style="text-align: justify;">
Den ganzen Tag mit einem Loch im linken Socken, direkt am großen Onkel durch die Gegend laufen. Keine Postkarte im Briefkasten finden, dafür die Zeit, und sich kurz fragen, ob der Mittwoch plötzlich schon ein Donnerstag ist. Dann über die Zeit nachdenken und allein dieses Wortspiel erheiternd finden. Mit dem Zug nach Hannover fahren und auf Grund der Haarfrisur den Kopf nicht anlehnen können. Sich wieder vergegenwärtigen, dass es Zugfahrt-kompatible Wege gibt, die Haare zu tragen, und dass ein Dutt definitiv nicht dazu gehört. In Hannover in die U-Bahn steigen und darüber schmunzeln, was Hannover eigentlich für eine Stadt ist. Und auch über die U-Bahn und die Haltestellen mit ihren merkwürdigen Namen: "Waterloo" und "Schwarzer Bär". Gedankenversunken aus dem Fenster blicken und keine Ahnung haben, ob das hier gerade der Norden, Süden, Westen oder Osten der Stadt ist. Beim Verfassen des Textes dann doch neugierig werden, wo das war: Der Südwesten. Eine abgegriffene rote Plastikkanne mit schwarzem Tee, zwei Tassen später aufstehen und wieder gehen. Hände schütteln. Zurück fahren. Aus dem Zugfenster blicken und die Landschaft mit den Augen atmen. Später Cocacola kaufen und aus der Plastikflasche trinken. Die Socken wechseln. Zuhause sein.</div>
kaethttp://www.blogger.com/profile/15813238675671072394noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8921981254274423184.post-43291681481493192522016-03-22T11:17:00.003-07:002016-03-22T11:17:39.004-07:00Dienstag: Regen heißt auf Arabisch مطر. <div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiJWX5VW6sV_l703eSWuEL6WYtNXX7enYp_sQP1_sp6DdOS2q_7jJHKAt4JGcq7e03tPQGRwlFIgygU3O6okfyOjwtaORfjWhBAdcr3wplDKHAtAk5bX3LsrZPc1fSBBidaYMRWYT63Pag/s1600/Scan00580005.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiJWX5VW6sV_l703eSWuEL6WYtNXX7enYp_sQP1_sp6DdOS2q_7jJHKAt4JGcq7e03tPQGRwlFIgygU3O6okfyOjwtaORfjWhBAdcr3wplDKHAtAk5bX3LsrZPc1fSBBidaYMRWYT63Pag/s320/Scan00580005.jpg" width="263" /></a></div>
<div style="text-align: justify;">
Mit dem Weckerklingeln einen Traum hinter mir lassen, den ich schon jetzt vergessen habe. Auf dem Haushof dem Postboten begegnen, der mir eine Postkarte aus Weißrussland und ein Buch zusteckt. In Müdigkeit und Freude über das Buch tatsächlich zum ersten Mal in dieser Stadt in den falschen Bus einsteigen. Und den Fehler erst bemerken, als ich, versunken im Buch, irgendwo bin, wo ich nicht hinwollte. Dafür einen neuen Teil der Stadt entdecken. Mehl, Wasser und Olivenöl zu einem Teigklumpen verkneten. Flammkuchen essen. Bilder aus Brüssel sehen und die Tagesschau einschalten. Immer deutlichere Abscheu gegen jede Art von Livetickern entwickeln. Den treffendsten Kommentar lesen und mit den knappen Worten überein stimmen: "Offene Grenzen erschaffen keine Terroristen. Humanität zündet keine Bomben in der Station Maelbeek. Toleranz bildet keine militanten Islamisten aus. Soziale Segregation, Rassismus und Stellvertreterkriege tuen dies." Fast aus Trotz in die Buchhandlung gehen und ein neues Arabisch Lehrbuch kaufen. An meinen ehemaligen Arabischlehrer und seine innigen Erläuterungen über arabische Buchstaben denken. Seit vielen Tagen mal wieder Regentropfen auf der Fensterscheibe registrieren. Regen heißt auf Arabisch مطر. </div>
kaethttp://www.blogger.com/profile/15813238675671072394noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8921981254274423184.post-90186114072370991352016-03-21T11:27:00.000-07:002016-03-21T11:27:21.104-07:00Montag: Schwarzer Tee und Vader Abraham<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgWP4-sE2eA-t4psxF7hFU5LfLl9_J9yvYaQxONNi9kH-wl-zYre0EigbQZ8sLBbLI8wZ-T0hXoyQXYCtDak4nJGYqjqN70rA_556vok-TnAOzUnLwwLysXZX1eNnnjHUtn9XPbziAYQCI/s1600/Scan00510004.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgWP4-sE2eA-t4psxF7hFU5LfLl9_J9yvYaQxONNi9kH-wl-zYre0EigbQZ8sLBbLI8wZ-T0hXoyQXYCtDak4nJGYqjqN70rA_556vok-TnAOzUnLwwLysXZX1eNnnjHUtn9XPbziAYQCI/s320/Scan00510004.jpg" width="265" /></a></div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Aufwachen und noch im Halbschlaf die Polizeipresse lesen. Aus den Täterbeschreibungen versuchen Jungs zu identifizieren, die du sein könntest. Eine neue Sprache erfinden, mit Lauten die nur mir gefallen: Ei, Äu, U. Ein Mädchen sehen, die ihr Gesicht weiß geschminkt hat. Ansonsten alles schwarz. Haare, Mantel, Schuhe. Sie anlächeln für ihren Mut. Kein Grinsen zurück. Mit dem Bus in den Süden der Stadt fahren und zu früh auf den Stop-Knopf drücken. Hoffen, dass noch wer an der Haltestelle aussteigt, aber im Bus sitzen kaum Leute. Sich nicht trauen, den Busfahrer anzusprechen um ihm zu sagen, dass das ein Versehen war. Schließlich eine Station zu früh aussteigen und den Weg zu Fuß gehen. Im Briefkasten eine Postkarte aus den Niederlanden und ein Paket mit abgelaufenen Polaroidfilmen finden. Joghurt mit Müsli essen. Im Kopf plötzlich ein altes Lied von Vader Abraham. Wortlos singen mit dem Wissen, gleich zu heulen. Dann schließlich das Lied auf Youtube suchen, im REWE-Prospekt blättern und weinen. Erstaunt sein, darüber. Lächeln. Eine Einkaufsliste schreiben. 5 SMS bekommen. 2 Polaroids machen. Eins zu dunkel. Das nächste heller, aber immer noch zu dunkel. Auf dem Bett liegen und im Regal einen alten Gedichtband wiederfinden. Schwarzen Tee trinken. Sich nicht um die Blumen kümmern. Die Wäsche sortieren. Drei Haufen: Schwarz, Bunt, 60 Grad. Schließlich die Buntwäsche im Schleudergang beobachten. Ausschlaggebend für die Entscheidung waren zwei Jeans. Paprika in Würfel schneiden. Cheb Mami hören. Wissen, was "Rakastan sinua" bedeutet. Und welche Sprache das ist.</div>
kaethttp://www.blogger.com/profile/15813238675671072394noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8921981254274423184.post-15816217344380921682015-07-29T12:49:00.003-07:002015-07-29T12:51:16.436-07:00Sommerregen<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: center;">
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgxysObNfKTYFy7OCeYESJz9gF6ote6HIVDYlxZ2UzaGjXvtNPmIE3coUkyH6C1se-1plKK3p8xR0yyU5U2r6tjPebi12lQpB9aWXeMq7tnJhorD84Q8TXoYqcyRXaZ1B5SpoFyKJzFPb4/s1600/11778013_848228781932282_871518882_n.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgxysObNfKTYFy7OCeYESJz9gF6ote6HIVDYlxZ2UzaGjXvtNPmIE3coUkyH6C1se-1plKK3p8xR0yyU5U2r6tjPebi12lQpB9aWXeMq7tnJhorD84Q8TXoYqcyRXaZ1B5SpoFyKJzFPb4/s320/11778013_848228781932282_871518882_n.jpg" width="320" /></a></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiGShWp4Mor5sTuHrl5okizFuPrOUiOpHd-KdKYl9614GBv-hcBO46KgZFC9NhZHyXhmtN26dvftNJXpFqZBMl_Qjc8Sl4gfRzuQHpuMwmI5CDXd5sApjXjkNjAfLCOZaYnK85ciuI7saE/s1600/11778013_848228781932282_871518882_n.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><br /></a></div>
</div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Wenn ich von Sommerregen sprach, dann meinte ich damit kühle Tropfen auf meiner schweißnassen Haut. Wenn ich von Sommerregen sprach, dann dachte ich an Schuhe ausziehen, barfuß sein und durch Pfützen springen. Ich sah mich klitschnass durch den Wolkenbruch rennen, der der Welt für einen Moment Abkühlung verschaffte. Wenn ich von Sommerregen sprach, dann kribbelte es aufgeregt in meiner Nase, die sehnsüchtig auf den altbekannten Duft von feuchter Erde wartete. Wenn ich von Sommerregen sprach, dann träumte ich mir meine Hand in deine.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Es ist Ende Juli, viel zu kalt, der Himmel dunkelgrau und meine Blumen auf dem Balkon ersaufen. Ich stehe am Fenster und starre in den Sommerregen, und meine Hand, meine Hand, die erstickt in der Hosentasche.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
kaethttp://www.blogger.com/profile/15813238675671072394noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8921981254274423184.post-78634284357935008362015-04-26T07:47:00.002-07:002015-04-26T07:53:35.145-07:00Foudroyant<div style="text-align: center;">
<br /></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgupssTjQ6UgQYmrkv5xTHWMPE1e-H76DkOaWXhzQzXIsv-eVNux2UaLbRivuUOOKkQYQ5yAeZxSmHchvid1W5ujRsVSbJaLvTZurNBSG-8o0cRdNbKbmKBsSSe16Xlx5T6VOsGVImCg9c/s1600/IMG_4781.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgupssTjQ6UgQYmrkv5xTHWMPE1e-H76DkOaWXhzQzXIsv-eVNux2UaLbRivuUOOKkQYQ5yAeZxSmHchvid1W5ujRsVSbJaLvTZurNBSG-8o0cRdNbKbmKBsSSe16Xlx5T6VOsGVImCg9c/s1600/IMG_4781.JPG" height="320" width="212" /></a></div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Der
Handkuss ist - an sich genommen und korrekt ausgeführt - eine harmlose
Geste. Die Berührung verharrt in ihrer Andeutung und scheint fast abrupt
in ihrem natürlichen Ablauf unterbrochen zu werden. Der Handrücken und
die Lippen halten für einige Sekunden, nur wenige Millimeter voneinander
entfernt, inne, der Kuss bleibt unvollendet und doch sehnsüchtig
erwartet.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Eine Infektion beginnt meist unbemerkt. Die ersten Symptome sind harmlos. Manchmal spürt man jahrelang nichts davon, während sich die Krankheit schleichend im Körper ausbreitet, durch die Venen kriecht, die Organe an sich reißt, die Knochen befällt und schließlich im Endstadium das Hirn besiedelt. Manchmal bricht sie bereits nach wenigen Tagen aus, ergreift Körper und Verstand und führt in ein nicht heilbares Delirium.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Die Nächte im Krankenhaus sind lang und dunkel. Das weiße Flurlicht kriecht unter der Tür hindurch in mein Zimmer. Ich liege in meinem weißbezogenen Bett und starre auf die hellen Streifen, die sich über den Boden ziehen und allmählich von der Dunkelheit gefressen werden. Wenn ich aus dem Fenster schaue, dann sehe ich die schwarzen Konturen der Stadt im Nachthimmel. Hin und wieder bemerke ich schnelle Schritte auf dem Gang, manchmal denke ich, dass ich gerade ein leises Wimmern oder einen gequälten Schrei gehört habe. Ich spüre dann meinen Herzschlag und das ist ein gutes Gefühl.</div>
<div style="text-align: justify;">
Schlaflosigkeit ist eine Nebenwirkung von dem Mittel, das tröpfchenweise in meinen Arm fließt. Wenn mir langweilig ist, drücke ich auf die Nadel, die in meiner Haut steckt. Die Ärzte sagen, wenn ich dann einen pieksenden Schmerz spüre, ist das ein gutes Zeichen. Ich fühle nichts.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Deine Fingerknöchel trommeln leise an der Tür. Ich antworte nicht. Als das grelle Licht mitsamt deiner schwarzen Silhouette in den Raum huscht, bin ich geblendet und muss kurz blinzeln. "Hallo", sagst du, während du dich zu mir ans Bett stellst und routiniert die Kabelage überprüfst mit der ich verbunden bin, "ich habe nicht viel Zeit".</div>
<div style="text-align: justify;">
Ich nicke und schaue dich an. Du blickst zurück mit deinen kühnen Augen, dann kniest du dich vor mein Bett und lässt deine Hand unter meine Decke wandern. Ich strecke dir meine mit Haut umhüllten knochigen fünf Finger entgegen und du ziehst sie vorsichtig zu dir. Du schiebst deinen Mundschutz unter dein Kinn und flüsterst warme süße Worte. Ich kann auf dich herunter schauen, während du meine Hand langsam zu deinen Lippen führst. Die Bewegung endet wie eingefroren vor deinem Mund, ich spüre deinen Atem auf meinem Handrücken. Dann legst du meine Hand zurück unter die Bettdecke. "Ich bin ungeduldig", wispere ich. Wortlos drehst du dich um und gehst.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Du stehst schon im Türrahmen. "Ich weiß", sagst du. Und dann fügst du hinzu: "Ich habe dich infiziert".</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
kaethttp://www.blogger.com/profile/15813238675671072394noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8921981254274423184.post-3053779769209721632015-04-09T11:18:00.002-07:002015-04-09T11:18:42.932-07:00Jungs wie du - II<div style="text-align: center;">
<br /></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
</div>
<br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj9GwPsVVHRA7pJ35N5r-vPSaObyVrnI4lkV7mjH4gFq3wp6i3DJ_QSJJVQSVtzMqW8tllliC5_CEQjgrNs7Al53GqFq6izgtjNfgx2RU9u38VuHJ0nsQLGD7WHyXCVJ5hEEywX5yLilb0/s1600/IMG_8527.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj9GwPsVVHRA7pJ35N5r-vPSaObyVrnI4lkV7mjH4gFq3wp6i3DJ_QSJJVQSVtzMqW8tllliC5_CEQjgrNs7Al53GqFq6izgtjNfgx2RU9u38VuHJ0nsQLGD7WHyXCVJ5hEEywX5yLilb0/s1600/IMG_8527.JPG" height="400" width="266" /></a></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<br /></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
</div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Vielleicht freut es dich, wenn ich deine Geschichte hier aufschreibe.
Vielleicht freut es dich, wenn ich dir sage, dass du mir so langsam ans
Herz wächst. Und genau dann kommt der Punkt, an dem es schon wieder Zeit
ist, loszulassen. 7 Monate kennen wir uns jetzt. 7 Monate, in denen du
dich ganz schön verändert hast. Vor einigen Tagen habe ich dir ein
buntverpacktes Geschenk in die Hand gedrückt. Zum Geburtstag. Da hast du
mich zum ersten Mal umarmt. Und danach schüchtern grinsend auf den
Boden geschaut.<br />Ich kann gut verstehen, dass es dir nach all dieser
Zeit schwer fällt, genau jetzt zu gehen. Wahrscheinlich bist du lange
nicht mehr irgendwo richtig angekommen. Vielleicht gefällt dir das
Gefühl, abends zu wissen, wo du morgens aufwachst. Und dich dann nicht
fragen zu müssen, wo du eigentlich gerade bist.<br /><br />Ich stehe neben
dir im Türrahmen und versuche dich zu überreden, trotzdem einen Schritt
nach vorn zu wagen, auf unsicheren Boden. Du zögerst, schüttelst den
Kopf. Sagst, dass du nicht mitkommen willst. Schließlich würdest du doch
in zwei Monaten eh im Knast landen. Da bräuchtest du jetzt auch kein
neues Zuhause mehr. Jetzt antworte ich dir mit einem Kopfschütteln und
sage, dass das Unsinn ist. Dass du nicht im Gefängnis landen wirst.
Solange du nur den Weg weiter gehst, den du hier begonnen hast. Auch
wenn er vielleicht steiniger und schwieriger ist als die dunklen
Schleichwege, die du zuvor entlang gerannt bist.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Tatsächlich fahren wir eine Stunde später zusammen mit der Bahn. Ich habe uns Eis gekauft, wir sitzen schweigend nebeneinander und lassen die Schokoglasur beim Abbeißen knacken. Ich frage mich, was wohl andere Leute denken, wenn sie uns hier so sitzen sehen. Ob sie sich fragen, wie wir miteinander verbunden sind, und welche Antwort sie sich zusammen reimen. Immerhin erkennt man unsere Schicksalsgemeinschaft an dem Eis.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Der Zug bringt uns an den Rand der Stadt, dort laufen wir die schläfrige Hauptstraße entlang, deuten auf die Häuser, die uns gefallen und in denen wir gern wohnen würden. Am Ende der Allee erstreckt sich ein riesiges Gelände, darauf kleine und große Gebäude, Grasflächen, uralte Bäume. Die Anlage beherbergt eine Mischung aus Sanatorium, Alten- und Kinderheim. Du lachst: "Das ist doch ein Krankenhaus, hier". Ich lege den Kopf in den Nacken und schaue die noch kahlen Zweige der Bäume an, die sich in den blauen Himmel bohren. "Das perfekte Rentnerparadies", denke ich, grinse in mich hinein und gebe dir schweigend Recht.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Schließlich stehen wir im Korridor, die Möbel gleichen einem Sammelsurium, es fehlen Bilder an den Wänden und irgendwie wirkt alles lieblos. Wir schauen uns das Zimmer an, du verziehst nicht einmal das Gesicht, ich weiß nicht, was in dir vorgeht. Als ich noch in dem Raum stehe, gehst du um die Ecke, die Tür zur Feuertreppe ist geöffnet, auf dem Gitter steht ein Plastiksstuhl. Ein provisorischer Balkon. Du stützt dich auf das Geländer, die Sonne scheint dir ins Gesicht, du blickst in die Ferne.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Wir gehen weiter durch die breiten dunklen Flure, biegen um Ecken. Ich bemerke eine Zimmertür, darauf steht mit blauem Edding geschrieben: "Eines Tages wird das Leben schöner sein".</div>
<div style="text-align: justify;">
Am Ende der Führung stehen wir mit denjenigen zusammen, die dich hier begleiten könnten. Als wir uns verabschieden, endest du mit einer Geste, die ich nicht erwartet hätte. Du klopfst dem älteren Mann mit der Nickelbrille auf die Schulter. "Merci, mon frère", sagst du.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Auf dem Weg zum Bahnhof, laufen wir die lange Straße abermals entlang. Du bleibst stehen, drehst dich nochmal um und machst ein Foto davon. Dann ein Bild von uns. "Als Erinnerung", ergänzt du.</div>
<div style="text-align: justify;">
Ob du wieder kommen wirst? Ich weiß es nicht. Vielleicht. Schließlich ist sie ja immer noch da. Die Hoffnung auf ein schöneres Leben. Die Hoffnung die man hat, wenn man ein Junge ist wie du.</div>
kaethttp://www.blogger.com/profile/15813238675671072394noreply@blogger.com2tag:blogger.com,1999:blog-8921981254274423184.post-53325212226233603372015-03-25T09:55:00.003-07:002015-03-25T09:59:09.103-07:00Hyggelig<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiT9G103MsRixvorm_mditV3EyPsteUatqRtkVdCbNXJcREnfLUQUrNmd74tsy7xccXxwtO1VlW9jp2wl6DRPjZhgpDjtr7PMQOlXBrZCihFHRTjgT-L4iG3tAousYJ2BST26isDEGTxls/s1600/IMG_4089.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiT9G103MsRixvorm_mditV3EyPsteUatqRtkVdCbNXJcREnfLUQUrNmd74tsy7xccXxwtO1VlW9jp2wl6DRPjZhgpDjtr7PMQOlXBrZCihFHRTjgT-L4iG3tAousYJ2BST26isDEGTxls/s1600/IMG_4089.JPG" height="266" width="400" /></a></div>
<br />
<div style="text-align: justify;">
Die Luft hier ist anders. Klarer irgendwie. Und das klingt schon wieder ziemlich abgedroschen, aber genauso ist es. Wie sollte die Luft auch sonst sein, wenn sie über dem Atlantik gewaschen wurde, über die Nordsee geflogen kam und sich nun in meine Nase verirrt hat und meine Lunge erfüllt.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Wir laufen durch die Dünen, und es ist so still, dass ich das Gefühl bekomme, in einen Eierkarton gepackt zu sein. Vielleicht bemerkt man erst, wenn nichts mehr Störendes da ist, dass selbst das Nichts so energisch und einnehmend sein kann. Nichts hören außer die Schritte im Sand, nichts sehen außer die mit Strandgras bewachsenen Sandhügel, nichts riechen außer die magische Luft, nichts fühlen außer die Sehnsucht endlich das Meer zu erblicken.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Die Trampelpfade schlängeln sich hinauf und hinab, mit jeder kleinen Kuppe wächst das Verlangen, und als wir endlich einen schmalen Streifen tiefen Blaus am Horizont entdecken, erfüllt uns das ewig währende Gefühl, das sich auch beim Feuerwerk zum Jahreswechsel und beim ersten Biss in die ersten Erdbeeren des Sommers einstellt. Mitten im Bauch, klein und kribbelnd: Das Glück.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<br />kaethttp://www.blogger.com/profile/15813238675671072394noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8921981254274423184.post-51732816111515008222015-02-09T04:22:00.000-08:002015-02-09T04:23:35.314-08:00Die blaue Lagune<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiwge9KXGfuhFOx5-GME8K4q7S6Aj8Y5SXPxcVeVi7kPYTTjrrh5Zapup55EZHO_zHxjb5yn3uG7y7gH1bPB-jcknY8-6oWIgM7hNFKwHuJCl5N2not6WzkdV8NTgMj9el39wdwJu1OYmI/s1600/IMG_9381.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiwge9KXGfuhFOx5-GME8K4q7S6Aj8Y5SXPxcVeVi7kPYTTjrrh5Zapup55EZHO_zHxjb5yn3uG7y7gH1bPB-jcknY8-6oWIgM7hNFKwHuJCl5N2not6WzkdV8NTgMj9el39wdwJu1OYmI/s1600/IMG_9381.JPG" height="320" width="213" /></a></div>
<div style="text-align: justify;">
Das Erste, was ich sehe, sind ihre großen Brüste. Sie steht vor mir, komplett nackt. Hält mir ihre pralle Oberweite entgegen, während ich krampfhaft versuche mich in der wasserdampfgefüllten Umkleidekabine zu orientieren. Ich schaue ihr in die Augen, wohin auch sonst, und sie wirft mir einen Blick aus Arroganz und Mitleid zu, den ich nicht recht deuten kann.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
In ein weißes Handtuch gewickelt, gehe ich nach draußen, die Sonne scheint, der Wind treibt die Wolken am Himmel umher, es ist Juni, das Thermometer zeigt 14 Grad. Vor mir erstreckt sich ein hellblauer Milchsee, der von einer unwirklichen schwarzen Felswüste gerahmt wird. Im Wasser stehen vereinzelte Gestalten, sie streifen ziellos umher, eine merkwürdige Ruhe liegt über diesem wundersamen Sumpf aus Algen und Kieselerde, von dem beständige Dampfwolken aufsteigen.</div>
<div style="text-align: justify;">
</div>
<div style="text-align: justify;">
Ich lege das Handtuch auf die Felsen, stehe kurz da, weinroter Bikini auf weißer Haut, und steige dann die Treppe in den heißen Tümpel hinab. Die Wärme umgarnt mich, zieht mich zu sich, ich beginne ebenso orientierungslos wie alle anderen durch das Wasser zu wandern. Automatisch bin ich Teil einer sich langsam bewegenden, riesigen Amöbe.</div>
<div style="text-align: justify;">
Hin und wieder stoße ich mir die Zehen an den scharfen Felskanten, die unbemerkt auf dem Grund auf mich lauern. Ich bin ein leichtes Fressen. Phlegmatisch lege ich mich auf einen Steinvorsprung, der Ort bedeckt mich mit einem warmen Zauber und mit dem größten Vergnügen lasse ich mich von ihm einlullen.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Er steht in der Mitte des Sees, trägt eine blauspiegelnde Sonnenbrille, lacht zu laut für diesen stillen Ort, hält sich sein Smartphone vor's Gesicht und dreht sich im Kreis. Ich starre ihn an. Nach einer Zeit bemerkt er meinen Blick, sieht mich an, seine weißen Zähne funkeln mich: "Say 'Hi!' to Brazil", sagt er und schwenkt sein Handy zu mir. Intuitiv reagiere ich auf sein Kommando, winke und grinse, und frage mich zur selben Zeit, was ich hier eigentlich gerade tue.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Er verschwindet so unvermittelt, wie er aufgetaucht war, hinterlässt nur Ruhe und eine nebulöse Wolke aus Wasserdampf. Ich streife wieder durch das Wasser, vernehme Stimmen, unterschiedliche Sprachen, meine Fingerspitzen sind schon schrumpelig, gedankenverloren lasse ich mir vom frischen, fast arktischen Wind den Kopf kühlen, während mein Körper immer noch die Wärme atmet. Vor mir steht ein breitschultriger glatzköpfiger Mann mit einem riesigen farbenprächtigen Drachen auf dem Rücken, als er sich umdreht, erkenne ich den Kopf des Drachens auf der Brust des Mannes. In dem Moment, als er mich fragend ansieht, fällt mir auf, dass ich seine bunte Haut einen Augenblick zu lang begutachtet habe. Schnell wende ich mich von ihm ab und stoße im Gehen beinahe mit einem anderen zusammen.<br />
<br />
Seine blauverspiegelte Sonnenbrille erkenne ich sofort wieder. Er lächelt mich an und ich schaue mit einem schüchternen Lächeln zu ihm hinauf. "Meine Familie ist in Brasilien", erklärt er von sich aus. "Ein traumhafter Ort ist das hier, findest du nicht?", fragt er, ohne eine Antwort zu erwarten. Dann stellt er sich vor, nennt seinen Namen, ich nenne meinen, wir unterhalten uns. Er könnte mein Vater sein, die graumelierten Haare trägt er über den Kopf nach hinten gekämmt, seine muskulösen Arme zieren einige Tattoos.<br />
"Kommst du mit zu meinen Freunden?", seine Frage scheint mehr eine Aufforderung zu sein. Ich folge ihm artig durch das Wasser und finde mich plötzlich neben dem Drachen und den riesigen Brüsten wieder. Daneben noch weitere Personen, sie schlürfen teure Cocktails und beachten mich nicht weiter. Ich kann nicht herausfinden, in welcher Verbindung diese Leute zueinander stehen und merke, wie mich die Tatsache, dass ich sie nicht ergründen kann, nervös macht. Er kennt mich keine fünf Minuten und erzählt mir jovial, dass er morgen eine Helikoptertour an der Küste machen will. "Mit inszeniertem Absturz und Rettungsaktion", ergänzt er und lädt mich im gleichen Atemzug dazu ein. Dann deutet er auf die Frau mit den großen Brüsten und ihren Begleiter, einen dünnen schwarzhaarigen Mann. "Er hat sich gestern mit ihr unter einem Wasserfall verlobt, romantisch, oder?". Ohne die Verlobung der beiden weiter zu kommentieren, schlage ich das Angebot eines gemeinsamen Helikopterfluges aus. "Ich muss gehen", sage ich.<br />
<br />
Er begleitet mich noch ein Stück durch das Wasser, wir stehen uns gegenüber und verschlucken uns an oberflächlichen Floskeln, die man sich sagt, wenn man sich nur kurz kennen gelernt hat, sich nie wiedersehen wird und sich aber trotzdem sympathisch findet. Dann streckt er seinen Arm zu einer Umarmung aus, die sich im Wasser näher anfühlt als sie es in der Luft je könnte. Küsschen rechts, Küsschen links. Und dann verliert seine Wange ihren Halt an meiner Wange und sein Biss verirrt sich für nur einige Sekunden in meinen Nacken.<br />
Ich drehe mich um und gehe, blicke nicht mehr zurück, steige aus dem Wasser, der kalte Wind empfängt mich, ich wickel mich in das Handtuch und renne mit einer unglaublichen Gänsehaut zurück in die Umkleidekabine.</div>
kaethttp://www.blogger.com/profile/15813238675671072394noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8921981254274423184.post-80638089326168793972015-02-02T02:37:00.000-08:002015-02-08T08:57:48.253-08:00Zwätzen Schleife<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgCm3f3axUOVaSlBgdmdHu1aBpVP6YaxzXXDdKDeK8OR_qadTOzh8rqUiMzFOFZ1CUdNOmI5IoKpgXdcwNMF9bSOZzehZZLJwXVmtsu93Il8p-En9YCCoD6NruatEhoGIpYnQ-SD_z2ITQ/s1600/IMG_3626.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgCm3f3axUOVaSlBgdmdHu1aBpVP6YaxzXXDdKDeK8OR_qadTOzh8rqUiMzFOFZ1CUdNOmI5IoKpgXdcwNMF9bSOZzehZZLJwXVmtsu93Il8p-En9YCCoD6NruatEhoGIpYnQ-SD_z2ITQ/s1600/IMG_3626.JPG" height="400" width="265" /></a></div><meta name="p:domain_verify" content="19a8a504501957b3cb7e4560da7f4e6b"/>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Straßenbahnen sind für mich Freud und Elend zugleich. Begegnen sie mir auf der Straße, nehme ich Reißaus, denn sie erscheinen mir unberechenbar, obwohl sie doch auf den ewigselben Gleisen rattern. Viel zu oft haben sie mich fast erwischt, viel zu oft haben sie mich zudringlich von der Straße geklingelt, viel zu oft konnte ich den rettenden Bahnsteig nur noch mit einem Hechtsprung erreichen.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Das Bild ändert sich, sobald sich die Türen vor mir öffnen und ich einen ganz eigenen Mikrokosmos betrete. In der Tram treffen sich die Menschen einer Stadt, sie müssen sich gegenüber sitzen, müssen, gerade zu den Stoßzeiten, ganz nah aneinander heran rücken und drängen einander ihre Telefongespräche in die Ohren oder ihr Mittagessen in die Nase.</div>
<div style="text-align: justify;">
Ich fahre gern mit der Straßenbahn, ich mag es, wie sie ein Netz durch die Stadt spannt und Menschen und Orte miteinander verbindet.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Es ist ein perfekter Sonntag, trist und grau. Man ahnt, dass es jederzeit regnen könnte. Wenn ich bei dir bin, dann fahren wir zusammen mit der Straßenbahn. Wir haben uns den besten Zeitpunkt ausgesucht, nehmen die Tram in Richtung "Zwätzen Schleife". Einige Leute fahren mit uns in den Norden Stadt, wir lassen das Zentrum hinter uns, die Häuser werden kleiner und die Hügel größer. Im Sommer ist es hier sicher ganz idyllisch, denke ich. Im Winter ist es ziemlich trübselig, stelle ich fest.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Er starrt uns an. Er macht das seit einer gefühlten halben Minute, wir haben aus dem Fenster geschaut, uns nichts anmerken lassen und haben einfach weiter geplappert. Ich habe versucht, seinen Augen auszuweichen, aber dann treffen sich unsere Blicke und er fängt an laut, rau und überzogen zu lachen. Unweigerlich muss ich grinsen.</div>
<div style="text-align: justify;">
Er hat einen Borstenschnitt, wilden, vergilbten Bartwuchs, sein Gesicht ähnelt dem eines Walrosses. An seinen Lippen klebt ein Tetrapack Rotwein, er nimmt einen Schluck und erzählt mit tiefstem sächsischen Dialekt, dass er einst mit der Fremdenlegion in Hongkong war. "Eine harte Zeit", sagt er, und ich bin mir nicht sicher, ob er das gerade sich selbst oder uns weismachen will.</div>
<div style="text-align: justify;">
Dann schaut er uns an, erklärt, dass er eigentlich Franzose sei. "Wenn du den Arsch voll Tränen hast, musst du trotzdem lachen", zitiert er salopp ein französisches Sprichwort, zumindest gibt er vor, dass das ein französisches Sprichwort ist.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Die Bahn tuckert weiterhin unbeirrt die Berge hinauf, während wir angestrengt aus dem Fenster starren und uns unterhalten. Zwischendurch werden wir immer wieder von einem bollernden Lachen unterbrochen. Er sieht mich eindringlich an und sagt: "Man nennt mich den schwarzen Panther, manche Menschen meinen, ich hätte keine Seele".</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Glücklicherweise erreicht die Bahn in diesem Moment die Endstation und bevor es uns zu gruselig wird, hüpfen wir schnell aus der Tram, rennen den Berg hinauf und drehen uns nicht um. Der Regen landet fein auf unseren Gesichtern, und ich muss grinsen, weil die Straßenbahn uns nicht nur an abenteuerliche Orte bringt, sondern uns genauso abenteuerliche Menschen vorstellt.</div>
kaethttp://www.blogger.com/profile/15813238675671072394noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8921981254274423184.post-39205978593356457102015-01-10T05:08:00.001-08:002015-01-10T05:08:45.555-08:00Jungs wie du<div style="text-align: center;">
<br /></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgtddl243D82qCvhf3fZVSXUn3__mTjI29EI2EbDny4Jvgnwg71rZJ6GbnwxPA8GSwA6ePEER3wqWG4EWV5kLRNFwg51adCnvtYYw12gSxnp9u3bG4I9UFsEHxHVMsCrvh8lJHmcDpToRw/s1600/IMG_3078.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgtddl243D82qCvhf3fZVSXUn3__mTjI29EI2EbDny4Jvgnwg71rZJ6GbnwxPA8GSwA6ePEER3wqWG4EWV5kLRNFwg51adCnvtYYw12gSxnp9u3bG4I9UFsEHxHVMsCrvh8lJHmcDpToRw/s1600/IMG_3078.JPG" height="213" width="320" /></a></div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Wir fahren mit der Straßenbahn durch die halbe Stadt, du setzt dich nach jedem Umstieg neben mich, auch wenn du die Möglichkeit hättest, dir einen anderen Platz zu suchen. Wir schweigen. Ich schaue aus dem Fenster, die Sonne scheint. Nach einer Zeit frage ich dich, ob du weißt, wie es gleich abläuft. "Ja", sagst du. Die komplette Fahrt über bleiben wir still. Dann steigen wir aus, du fragst nach meinem Feuerzeug, wir stehen in der Sonne, du steckst dir eine Zigarette zwischen die Lippen, wir sind beide ein bisschen unschlüssig, ich hocke mich auf ein Geländer, du lehnst dich an einen Stromkasten. Deine Beine zappeln, und dafür, dass es immer wieder in einschlägigen Zeitungen heißt, Jungs wie du hätten keine Angst mehr vor der Polizei, wirkst du ziemlich nervös.</div>
<div style="text-align: justify;">
Als du fertig bist, nickst du mir zu. Wir gehen zum Eingang, du kennst den Weg.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Über dem Schreibtisch des Polizisten hängen an der Raufasertapete zwei Kinderzeichnungen. Zwei Bilder, DIN A4, Querformat. Auf jedem Papier findet sich ein großes dickes Buntstiftherz, darunter das Wort "Baba". Davon abgesehen ist der Raum kahl, keine persönlichen Gegenstände, dafür ein großer Wandschrank voller Beweismittel. Es ist eng in dem kleinen Büro, die Tür lässt sich nicht mehr öffnen, wenn vier Personen darin sitzen.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Der Polizist weist uns die Stühle zu, du in der Mitte, ich links von dir, der Dolmetscher rechts von dir. Uns gegenüber nimmt er selbst Platz. Die Vernehmung beginnt, die Wahrheit ist eine Geschichte, oder die Geschichte deine Wahrheit, zumindest betont der Polizist immer wieder, dass er dir nicht glauben würde, denn die Beweise sprechen gegen dich.</div>
<div style="text-align: justify;">
Mein Blick schweift immer wieder zu den Bildern an der Wand, während der Polizist das Verhör am Computer verschriftlicht. Ich frage mich, ob du deinem Vater auch einmal solch ein Bild gemalt hast, ob man dir überhaupt jemals Buntstifte gegeben hat, ob du überhaupt weißt, wer dein Vater ist.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Ich bin mir nicht sicher, ob das rhetorische Finesse ist oder nur plumpe Aggression, als der Polizist plötzlich laut wird und sagt "Mir reicht's", mit dem Finger auf dich zeigt und dir eine letzte Chance gibt, die Wahrheit zu sagen. Aber ich bin mir sicher, dass es einem Dolmetscher nicht gestattet ist, zu sagen, dass Jungs wie du den Ruf seines Volkes durch den Dreck ziehen. Also melde ich mich zum ersten Mal nach den vergangenen sechzig Minuten zu Wort.</div>
<div style="text-align: justify;">
"Sie sind doch Deutsche, sie wissen doch gar nicht, wie das ist", höre ich. Ich frage mich, was "das" sein soll und denke, dass zur Zeit einige Menschen, die deutsch wie ich sind, auf die Straße gehen und eine "Null-Toleranz-Politik" für Jungs wie dich fordern.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Nach 90 Minuten stehen wir wieder im Sonnenschein, ich drücke dir mein Feuerzeug in die Hand und sage "Geschenk". Dann rauchst du erstmal. Die sogenannte Wahrheit ist nun ein Textdokument mit deiner Unterschrift.</div>
<div style="text-align: justify;">
Wir fahren zurück, du sitzt wieder neben mir. Wir fahren immer noch schweigend, steigen um und aus. Nebeneinander gehen wir die letzten Meter, wir laufen auf gleicher Schritthöhe. Dann schließe ich die Tür auf, zu meiner Arbeit, zu deinem ersten gefühlten, ja, was denn eigentlich, vielleicht Zuhause seit langer Zeit. "Dankeschön", sagst du und schaust mich dabei an.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
Ich habe dich mal gefragt, was du dir wünschst. Du hast gesagt, dass du gern deine Freundin heiraten möchtest. Vielleicht sind das die Träume, die man hat, wenn man ein Junge ist wie du.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
kaethttp://www.blogger.com/profile/15813238675671072394noreply@blogger.com0