Donnerstag, 17. Juli 2014

Übermut und Tunichtgut



In der letzten Woche haben zwei Personen, ganz unabhängig voneinander, bemerkt, dass sich an mir etwas verändert hat. Es ist nur eine Kleinigkeit. Ein winziges Detail. Aber die Bedeutung ist enorm.

Meine Füße haben bereits vieles gesehen, mussten schon einiges durchmachen, haben tagelang in verschwitzten ungemütlichen Turnschuhen gesteckt und hatten nach durchtanzten Highheelnächten einen gewaltigen Kater. Dafür wurden sie aber stets belohnt: Pariser Pelouse, Atlantikwasser, Küsse auf die kleinen Zehe.
"Füßchen Übermut und Füßchen Tunichtgut", so hatte meine Mutter meine Füße getauft, als sie mir morgens die Socken anzog. Daraus wurde ein Ritual und ich tippelte, hoppste und trampelte mit diesen, ihrem Ruf voraus eilenden, Füßen durch die Welt.  Sie waren kaltblütig, träumten viel zu oft, verloren das Gleichgewicht und ließen mich unangenehm über Gehwegplatten stolpern. Immer wieder machten sie mit all ihrem Übermut und Tunichtgut auf sich aufmerksam, damit ich ihnen mehr Beachtung entgegen brachte.

Siebenmeilenstiefel gibt es nicht in Schuhgröße 36. Aber das war meinen Füßen egal, sie wollten trotzdem laufen, klettern und von Klippen baumeln. Und ich tat ihnen den Gefallen, denn sie brachten mich zuverlässig an Orte und zu Personen, die mein Herz höher schlagen ließen. Dabei ist mein Herz so weit von meinen Füßen entfernt, mindestens 140 Zentimeter. Das ist mehr als meine Schrittlänge.

Mein Hautarzt hat einmal gesagt, dass es gefährlich ist, wenn Leberflecke dunkler werden, wenn sie größer werden, oder wenn sie ihre Form verändern. Seit jeher habe ich diesen Leberfleck auf meinem rechten Fuß. Ich finde, er passt da ganz gut hin. Irgendwo unter dem Ringzeh. Fast so schön wie ein kleines Muttermal über der Lippe.
Dieser Leberfleck ist eine Kleinigkeit, er fällt nicht weiter auf, es ist kein juckender Mückenstich, keine geschichtsträchtige Narbe. Mein Ringzehleberfleck war schon immer einer von vielen. Bis er sich verändert hatte. Und ich hatte es nicht bemerkt. Ich musste erst von anderen darauf aufmerksam gemacht werden, dass er kein normaler Leberfleck mehr war. Er hatte seine Form verändert. Aus einem kreisrunden Punkt ist ein winziges Herz geworden. 

Mein Herz hat sich zu meinen Füßen gesellt. Zu Übermut und Tunichtgut. Ich glaube, die beiden brauchen noch ein bisschen Zeit um sich daran zu gewöhnen.

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