Sonntag, 18. Mai 2014

Flohmarkt



Sonntag. Und der Tag hält endlich, was er so sehr verspricht, was er in seinem Namen trägt: Sonne. Als ich aufwache, scheint sie schon hell ins Zimmer. Nichts macht mehr Sinn an solch einem Sonnentag, als nach draußen zu gehen. Also tun wir das.

Auf dem Flohmarkt sind unglaublich viele Menschen, und als wir durch das Tor gehen, schaue ich dich an und sage: "Ein Panoptikum der besten Sorte". Und damit meine ich nicht den Krempel, der hier verhökert wird, sondern die Leute.
Kilometerlang ziehen sich die Tische, randvoll bedeckt mit Plüschtieren, Kaffeetassen, Büchern, Kleidung, Antiquitäten und solchen, die es sein wollen. Es wird auf gefühlten tausend Sprachen gehandelt und die Luft riecht nach Dachboden oder Keller, obwohl wir auf einer riesigen Wiese spazieren.

Manchmal frage ich mich, wie viele Häuser es braucht, um all diese Sachen aufzubewahren. Welche Geschichten die Dinge erzählen, und wem sie mal etwas bedeutet haben. Und wer froh ist, endlich diese ganzen Erinnerungen los zu sein. Manchmal frage ich mich, warum wir unsere Herzen an Sachen hängen. Vielleicht, weil sie nur kaputt gehen können. Aber einem niemalsnie weh tun werden. Außer man findet sie nach Jahren wieder. Irgendwo verstaubt in einem Karton. Dann kann ein einziges Foto eben doch ins Herz schneiden.

Die Sonne brennt sich in unsere Haut hinein, und wir schlendern an den Ständen vorbei. Ich schaue mir den Wust an Plunder an, und denke, dass Flohmarkt eben nicht nur Kaufen und Verkaufen ist. Es ist geduldete, ja gar gewollte Schnüffelei. Denn mal ehrlich: Wen interessiert es nicht, was andere Leute so in ihren Schränken haben? Sehen, was andere so um sich horten? Welchen Sammelleidenschaften sie nachgehen? Man kann ja nicht einfach beim Nachbar an der Tür klingeln und sagen: "So, ich will jetzt aber mal in ihren Schrank schauen, wollte schon immer mal wissen, was es da so gibt". Nein. Das traut man sich nicht. Aber auf dem Flohmarkt, da ist das erlaubt. Da darf man sich sogar die besten Stücke raussuchen und dann in den eigenen Schrank stellen. Und selbst, wenn es nicht der Nachbar ist. Man duzt sich beim Handeln. Und bekommt, mit ein bisschen Glück, die Geschichte zur soeben erworbenen Kaffeedose gleich mit dazu.

Nach einer Stunde beginnen meine Füße angenehm zu schmerzen und wir gehen wieder nach Hause. In meiner Tasche befindet sich ein Foto. Schwarz-Weiß, ausgeblichen. Kind mit Finger im Mund. Ohne Geschichte. Die muss ich mir erst noch ausdenken. Woran ich mich aber erinnern werde, wenn ich dieses Foto nach einigen Jahren aus einem verstaubten Karton ziehen werde: Sonne, Sonntag, Flohmarkt, du und ich. Und das Foto wird mir nicht ins Herz schneiden, sondern mir ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Das geht nämlich auch.


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