Freitag, 25. März 2016

Freitag: Häschen in der Grube saß und kackt.



Im Traum in der Auguststraße spazieren, mit Sonnenschein, blühenden Krokussen und grünen Bäumen. Und dann aufwachen, in einer grau-nass-kalten Welt. Glück ist Toastbrot mit selbst gemachter Sauerkirschmarmelade zum Frühstück. Und der alte Bademantel. Mit den Nachbarskindern spielen. Mit dem Osterhasen telefonieren. Und dann mit allen zusammen singen: "Häschen in der Grube saß und schlief" und die Kinder singen gleichzeitig: "Häschen in der Grube saß und kackt". Lachen müssen, den Kindern über die Köpfe streicheln und ihre leuchtenden Augen lieben. Vom Beifahrersitz aus die vorbei ziehende Landschaft beobachten. Drei Stunden lang essen: Kroketten, Salat, Gemüse und Käsekuchen. Die Oma umarmen. Und wieder auf dem Beifahrersitz zurück fahren. Dabei immer wieder kleine Containersiedlungen sehen. Durch das Grau spazieren, über die Nachbarn reden, Veränderungen bemerken. Karten spielen und gewinnen. Der Freitag als gefühlter Sonntag.

Donnerstag, 24. März 2016

Donnerstag: Mehr Tote als Lebendige.



Einmal quer durch Rastede laufen, vom Bahnhof zum Park, über den Turnierplatz zum Freibad. Auf dem Friedhof Menschen sehen, ansonsten kaum jemandem begegnen. Kurz begreifen, dass es hier wohl mehr Tote als Lebendige gibt. Auf dem Rückweg dann feststellen, dass es nicht mal einen Fahrkartenautomaten am Bahnhof gibt. Dafür einen 12-jährigen mit Bauchtasche und Jogginghose, der sich eine Zigarette dreht. Und niemanden, der sich dafür interessiert. Immer nur partiell zu Hause sein, Sachen in den kleinen kaputten Rollkoffer packen und dann wieder mit dem Zug fahren. Vom Schaffner, der einen schönen Akzent und einen noch schöneren Duft hat, für die Fahrkartengutscheinkombination gelobt werden. Ansonsten feststellen, dass in der ersten Klasse nur Schnösel sitzen. Am Bahnhof in Hamburg-Harburg stehen und die Menschen beobachten. Frau und Mann. Sie trägt eine Tasche mit Katzenzeichnungen, er hat einen BVB-Schal um den Hals gewickelt, auf dem Kopf eine weiße Schirmmütze. Sie könnte seine Ehefrau oder auch seine Mutter sein. Beide haben dengleichen erschrocken-traurigen Blick in den Augen. In Buxtehude aussteigen, nochmal Joghurt für die Feiertage auswählen dürfen, immer wieder Kind sein gratis dazu. Brause trinken, Chips essen. Und die Mutter sagt: "Ich habe noch Smarties-Eis für dich gekauft".

Mittwoch, 23. März 2016

Mittwoch: Die Landschaft mit den Augen atmen.

Den ganzen Tag mit einem Loch im linken Socken, direkt am großen Onkel durch die Gegend laufen. Keine Postkarte im Briefkasten finden, dafür die Zeit, und sich kurz fragen, ob der Mittwoch plötzlich schon ein Donnerstag ist. Dann über die Zeit nachdenken und allein dieses Wortspiel erheiternd finden. Mit dem Zug nach Hannover fahren und auf Grund der Haarfrisur den Kopf nicht anlehnen können. Sich wieder vergegenwärtigen, dass es Zugfahrt-kompatible Wege gibt, die Haare zu tragen, und dass ein Dutt definitiv nicht dazu gehört. In Hannover in die U-Bahn steigen und darüber schmunzeln, was Hannover eigentlich für eine Stadt ist. Und auch über die U-Bahn und die Haltestellen mit ihren merkwürdigen Namen: "Waterloo" und "Schwarzer Bär". Gedankenversunken aus dem Fenster blicken und keine Ahnung haben, ob das hier gerade der Norden, Süden, Westen oder Osten der Stadt ist. Beim Verfassen des Textes dann doch neugierig werden, wo das war: Der Südwesten. Eine abgegriffene rote Plastikkanne mit schwarzem Tee, zwei Tassen später aufstehen und wieder gehen. Hände schütteln. Zurück fahren. Aus dem Zugfenster blicken und die Landschaft mit den Augen atmen. Später Cocacola kaufen und aus der Plastikflasche trinken. Die Socken wechseln. Zuhause sein.

Dienstag, 22. März 2016

Dienstag: Regen heißt auf Arabisch مطر.

Mit dem Weckerklingeln einen Traum hinter mir lassen, den ich schon jetzt vergessen habe. Auf dem Haushof dem Postboten begegnen, der mir eine Postkarte aus Weißrussland und ein Buch zusteckt. In Müdigkeit und Freude über das Buch tatsächlich zum ersten Mal in dieser Stadt in den falschen Bus einsteigen. Und den Fehler erst bemerken, als ich, versunken im Buch, irgendwo bin, wo ich nicht hinwollte. Dafür einen neuen Teil der Stadt entdecken. Mehl, Wasser und Olivenöl zu einem Teigklumpen verkneten. Flammkuchen essen. Bilder aus Brüssel sehen und die Tagesschau einschalten. Immer deutlichere Abscheu gegen jede Art von Livetickern entwickeln. Den treffendsten Kommentar lesen und mit den knappen Worten überein stimmen: "Offene Grenzen erschaffen keine Terroristen. Humanität zündet keine Bomben in der Station Maelbeek. Toleranz bildet keine militanten Islamisten aus. Soziale Segregation, Rassismus und Stellvertreterkriege tuen dies." Fast aus Trotz in die Buchhandlung gehen und ein neues Arabisch Lehrbuch kaufen. An meinen ehemaligen Arabischlehrer und seine innigen Erläuterungen über arabische Buchstaben denken. Seit vielen Tagen mal wieder Regentropfen auf der Fensterscheibe registrieren. Regen heißt auf Arabisch مطر.

Montag, 21. März 2016

Montag: Schwarzer Tee und Vader Abraham


Aufwachen und noch im Halbschlaf die Polizeipresse lesen. Aus den Täterbeschreibungen versuchen Jungs zu identifizieren, die du sein könntest. Eine neue Sprache erfinden, mit Lauten die nur mir gefallen: Ei, Äu, U. Ein Mädchen sehen, die ihr Gesicht weiß geschminkt hat. Ansonsten alles schwarz. Haare, Mantel, Schuhe. Sie anlächeln für ihren Mut. Kein Grinsen zurück. Mit dem Bus in den Süden der Stadt fahren und zu früh auf den Stop-Knopf drücken. Hoffen, dass noch wer an der Haltestelle aussteigt, aber im Bus sitzen kaum Leute. Sich nicht trauen, den Busfahrer anzusprechen um ihm zu sagen, dass das ein Versehen war. Schließlich eine Station zu früh aussteigen und den Weg zu Fuß gehen. Im Briefkasten eine Postkarte aus den Niederlanden und ein Paket mit abgelaufenen Polaroidfilmen finden. Joghurt mit Müsli essen. Im Kopf plötzlich ein altes Lied von Vader Abraham. Wortlos singen mit dem Wissen, gleich zu heulen. Dann schließlich das Lied auf Youtube suchen, im REWE-Prospekt blättern und weinen. Erstaunt sein, darüber. Lächeln. Eine Einkaufsliste schreiben. 5 SMS bekommen. 2 Polaroids machen. Eins zu dunkel. Das nächste heller, aber immer noch zu dunkel. Auf dem Bett liegen und im Regal einen alten Gedichtband wiederfinden. Schwarzen Tee trinken. Sich nicht um die Blumen kümmern. Die Wäsche sortieren. Drei Haufen: Schwarz, Bunt, 60 Grad. Schließlich die Buntwäsche im Schleudergang beobachten. Ausschlaggebend für die Entscheidung waren zwei Jeans. Paprika in Würfel schneiden. Cheb Mami hören. Wissen, was "Rakastan sinua" bedeutet. Und welche Sprache das ist.